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      Hebamme Ilka Schneemann

      Das Glück vor Augen - Ein Besuch im Wochenbett

      Das Wochenbett ist für Ilka Maria Schneemann das Schönste an ihrer Hebammentätigkeit. Warum sie bei ihren Familienbesuchen manchmal auch eine Fotoausrüstung dabeihat, erzählt sie hier. Eine sehr persönliche Geschichte, bei der auch die Geburten ihrer Kinder eine große Rolle spielen.
      Hebamme Ilka Schneemann

      Ilka Maria Schneemann ist Mutter von Cosima und Jóska und Mitgründerin der Hebammenpraxis MIA in Berlin-Wedding: www.hebamme-wedding.de; https://www.instagram.com/hauptstadt.hebamme/: Dort betreut sie Schwangere und Familien in der Vor- und Nachsorge. Außerdem bietet sie auch Familien- und Wochenbettfotografie an: www.milchundliebe.de; https://www.instagram.com/milch.und.liebe/ 

      Den Valentinstag 2018 werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen. Denn an diesem Tag hielt ich ein ganz besonderes Geschenk in den Händen: einen positiven Schwangerschaftstest. Das mag sich wenig aufregend anhören – besonders für eine Hebamme, die damals bereits eine elfjährige Tochter aus einer früheren Beziehung hatte –, aber an diesem Tag endete für mich und meinen Mann eine vier Jahre lange Kinderwunschreise, die keine leichte war. Sehnsucht, Hoffnung, Aushalten, Durchhalten, Verzweiflung, Schmerz – dazu täglich glückliche Paare vor Augen, die ich in der Schwangerschaftsvorsorge oder Geburtsnachsorge betreute. Das war an manchen Tagen ganz schön hart.

      „Ich habe eine vier Jahre lange Kinderwunschreise hinter mir, die keine einfache war. Täglich die glücklichen Paare vor Augen zu haben, das war manchmal ganz schön hart. Trotzdem hat mir gerade die Betreuung im Wochenbett auch Kraft gegeben.“

      Vielleicht hört es sich paradox an, aber vor allem die Betreuung der Familien im Wochenbett hat mir in dieser persönlich schwierigen Zeit auch Kraft gegeben, weiterzumachen, den Traum von einem gemeinsamen Kind mit meinem Mann nicht aufzugeben. Die ersten Wochen nach der Geburt, die von intensiver Nähe und dem gegenseitigen Kennenlernen, dem Aufbau von Vertrauen geprägt sind – das alles strahlt einen wundervollen Zauber aus, dem ich mich nicht entziehen kann und der mich immer wieder glücklich macht.

      Die Betreuung der Eltern in den ersten zwölf Wochen nach der Geburt ist für mich seit jeher sehr bedeutsam in meiner Hebammentätigkeit. Nach der Geburt ganz nah dran zu sein und die Familien am Anfang ein Stück auf ihrem gemeinsamen Weg begleiten zu dürfen.

      Wochenbett im Fokus

      Manchmal öffnen mir aber auch Paare die Tür, die ich nicht in der Schwangerschaft oder nach der Geburt betreue. Denn ich bin nicht nur selbstständig mit sieben weiteren Kolleginnen in einer Praxisgemeinschaft in Berlin, sondern arbeite auch als freie Fotografin. Mein Schwerpunkt: Wochenbett-Reportagen.

      Auch wenn ich bei diesen Besuchen anstatt meines Hebammenrucksacks ausschließlich meine Fotoausrüstung dabeihabe, komme ich durch meinen Beruf schnell mit den Familien ins Gespräch. Außerdem buchen mich viele Familien bereits in den ersten zehn Tagen nach der Geburt, also in der Zeit, in der im Alltag oft noch Unsicherheiten bestehen und die Familien in der Regel viel Redebedarf haben. Deshalb frage ich zunächst z. B. nach, wie sie sich auf die Geburt vorbereitet haben, wie diese verlaufen ist, wie das Stillen klappt etc. – dann ist das Eis schnell gebrochen, und es entsteht eine ganz ungezwungene, vertrauensvolle Atmosphäre. Das hilft mir natürlich beim Fotografieren, weil ich so viel leichter authentische Fotos machen kann.

      Natürlich beantworte ich auch die ein oder andere Hebammenfrage der Eltern zu ihrem Kind oder zum Umgang mit ihm im Alltag. Dies rechne ich aber nicht ab und dränge mich auch nicht auf. Schwierig wird es, wenn ich merke, dass die Familien eigentlich mehr Betreuung bräuchten, aber keine Hebamme haben oder diese nicht häufig genug kommt. Das tut mir dann schon sehr leid. Zum Glück kommt dies aber nicht so häufig vor. In der Regel verabschiede ich mich nach rund zwei Stunden leicht wehmütig und denke manchmal, wenn Bedarf an Wochenbettbetreuung besteht: „Ich könnte mir gut vorstellen, morgen wiederzukommen, als Hebamme.“ Aber dafür fehlt mir die Zeit.

      „Durch meinen Beruf komme ich auch mit Familien, die ich nicht als Hebamme betreue, schnell ins Gespräch und es entsteht eine vertraute Atmosphäre. So können sehr authentische Fotos entstehen.“

      Anders ist das, wenn mich Familien nicht nur als Hebamme für die Vor- und Nachsorge anfragen, sondern zusätzlich auch als Fotografin buchen. Dann sehen wir uns viel öfter, sodass auch eine viel engere Beziehung zwischen uns entstehen kann. Bei meiner Zusage, ob ich sie als Hebamme betreuen kann, spielt dies aber keine Rolle. Meist kommt die Anfrage nach Fotos auch erst im Laufe der Schwangerschaft, wenn wir uns besser kennengelernt haben.

      Viele finden mich über die sozialen Netzwerke oder werden durch Flyer, die in unserer Hebammenpraxis MIA in Berlin ausliegen, auf mich aufmerksam. Viele sagen mir dann, dass es für sie etwas ganz Besonderes ist, wenn ich als Hebamme die Stimmung des Wochenbetts aus meiner Sicht mit der Kamera einfange. Es sind Erinnerungen, die ein Leben lang bleiben. Meistens lassen mir die Paare beim Fotografieren völlig freie Hand. Dabei leite ich selten an, die meisten meiner Aufnahmen sind komplett ungestellt. Vor Ort halte ich mich meist im Hintergrund, denn es ergeben sich automatisch genug Motive, die das Wochenbett widerspiegeln: etwa das gemeinsame Kuscheln mit dem Neugeborenen oder das Stillen, Baden und Wickeln des Babys.

      Erfahrungen verarbeiten

      Ich wünschte, ich hätte solche Fotos auch vom Wochenbett mit meiner Tochter. Ich war damals 24 Jahre alt, arbeitete als Mediengestalterin in Gießen und lebte in einer anderen Partnerschaft als heute. Die Schwangerschaft verlief ohne Komplikationen, und ich bereitete mich sehr ambitioniert auf eine Hausgeburt vor: suchte mir schon früh eine erfahrene Hebamme, las viel Literatur zum Thema und dachte genau zu wissen, was auf mich zukommt.

      Doch es kam ganz anders: Aus meiner Traumgeburt zu Hause wurde ein traumatischer Kaiserschnitt in der nächstgelegenen Klinik. Es lief ganz viel schief: von der Betreuung der Hebammen im Kreißsaal, über den Ablauf des Kaiserschnitts bis zum Bonding nach der Geburt. Das Ende vom Lied war eine Wochenbettdepression. Auch wenn ich diese mithilfe eines Psychoanalytikers überwinden konnte – die Erfahrung der Geburt zu verarbeiten, war für mich ein langer Leidensweg.

      Da ich mich schon immer für den Beruf der Hebamme interessiert hatte, entschloss ich mich zwei Jahre nach der Geburt meiner Tochter, eine Ausbildung zur Hebamme zu beginnen. Und zwar in der Klinik, in der meine Tochter zur Welt gekommen war. Ich glaube, ich habe damals Heilung gesucht, und zum Teil fand ich diese durch die Ausbildung auch. Drei Jahre später beendete ich diese erfolgreich, zog danach mit meiner Tochter nach Berlin und begann dort, als freiberufliche Hebamme zu arbeiten.

      Es folgte eine aufregende und stressige Zeit, in der ich definitiv zu viel arbeitete. Mir wurde dann ziemlich schnell klar, dass mir als Ausgleich eine kreative Aufgabe fehlte. Weil ich schon immer leidenschaftlich gerne fotografiert habe, kam mir die Idee, Wochenbettfotografie anzubieten. Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Aber das spielte keine Rolle. Rückblickend kann ich sagen: Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens! Inzwischen fotografiere ich neben meiner Hebammentätigkeit zwischen vier und fünf Familien pro Monat. Mehr sollen es auch erst einmal nicht werden. Denn die Fotografie ist für mich ein viel zu wertvoller Bonus zu meinem Hauptberuf – ein wunderschönes Hobby und gleichzeitig Seelenbalsam. Das Glück der Familien zu erleben und im Bild festzuhalten, das tut mir immer wieder gut.

      Das frühe Wochenbett ist oft turbulent und aufregend. Es braucht Zeit, bis jedes Familienmitglied seinen neuen Platz gefunden hat. Es muss also nicht immer alles perfekt sein beim Fototermin. Manchmal komme ich in die Familie und es fließen erst einmal Tränen, weil die junge Mutter sich unter Druck setzt oder denkt, bestimmte Erwartungen erfüllen zu müssen. Manchmal ist der Babyblues in vollem Gange. Ich spüre dann meist schnell, ob sich etwas aufgestaut hat, was im Gespräch geklärt werden kann. Auch die Geburt ist für viele noch so frisch und gegenwärtig, und viele Frauen haben das Bedürfnis, darüber zu sprechen. Das darf während des Fototermins alles sein und ist genauso wertvoll wie festgehaltene Freude auf Fotos.

      Intensive emotionale Vorbereitung

      Wie wichtig Bilder bei der Verarbeitung von bedeutsamen Ereignissen sein können, ist mir erst durch meine Arbeit als Fotografin so richtig klar geworden. Deshalb stand für mich auch sofort fest, dass ich die Geburt unseres Sohnes – elf Jahre nach der ersten traumatischen Geburt – fotografieren lassen würde. Ich wollte mich immer daran erinnern können und hoffte auf ein positives Erlebnis.

      Gleichzeitig war mir bewusst, dass dies kein Selbstläufer werden würde, auch wenn ich inzwischen Hebamme war. Deshalb bereitete ich mich trotzdem intensiv vor.

      Besonders in emotionaler Hinsicht. Ich suchte mir sofort eine Beleghebamme und nahm Kontakt zu einer Psychotherapeutin auf, die ebenfalls Hebamme ist, und wandte mich zudem an eine auf Schwangerschaft und Wochenbett spezialisierte Psychiaterin. Ich wollte wirklich möglichst alles dafür tun, um nicht wieder eine Wochenbettdepression zu bekommen. Auf die Geburt habe ich mich gemeinsam mit der Methode „Die friedliche Geburt“ von Kristin Graf vorbereitet, die zum Ziel hat, dass Frauen eine selbstbestimmte und glückliche Geburtserfahrung erleben. Und es hat tatsächlich funktioniert.

      Obwohl wieder ein Kaiserschnitt gemacht werden musste, erlebte ich diesen absolut positiv. Meine Hebamme achtete darauf, dass meine Wünsche zunächst im Kreißsaal und später im OP beachtet wurden, sodass ich trotzdem selbstbestimmt unseren Sohn zur Welt brachte. Eine Wochenbettdepression bekam ich nicht. Ganz im Gegenteil. Seit zwei Jahren empfinde ich große Dankbarkeit und bin sehr glücklich, dass unser Sohn den Weg zu uns gefunden hat. Mit der zweiten Geburt hat sich für mich ein Kreis geschlossen. Mein persönlicher Leidensweg, der sowohl das Geburtstrauma als auch unseren lang unerfüllten Kinderwunsch beinhaltete, ist nun endlich zu Ende.

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