Experten-Interview über Diagnose und Therapie
Sylvia Mechsner hat Humanmedizin an der Freien Universität Berlin studiert. Seit 2014 leitet sie das Endometriose-Zentrum der Charité und verantwortet Forschungsprojekte rund um die Schmerzmechanismen der Krankheit.
Warum bekommt Endometriose häufig zu wenig Aufmerksamkeit?
Beschwerden – entstehend durch die Periode – sind eine sehr persönliche Sache, über die viele Frauen ungerne sprechen. Denn die Gesellschaft nimmt Beschwerden wie Regelschmerzen nicht als Problem bzw. Lebenseinschränkung wahr. Hinzu kommt, dass Endometriose von Ärzten häufig unentdeckt bleibt, bevor sie im weiteren Verlauf zu Veränderungen an Organen führt. Das liegt auch daran, weil die Symptome ähnlich individuell sind wie der Farbwechsel eines Chamäleons.
Bei welchen Anzeichen sollte man zu Ärzten gehen?
Wenn man während der Periode mehr als eine Schmerztablette pro Tag nimmt und unter starken Krankheitssymptomen wie Durchfall, Erbrechen und Schmerzen beim Stuhlgang oder Wasserlassen leidet. Es gibt auch Frauen, die über wenig Schmerzen klagen, dafür aber ausgedehnte Befunde mit Organbefall haben.
Wie lässt sich eine Diagnose der Krankheit stellen?
Zunächst ist eine Schmerz-Anamnese wichtig, dann folgt ein Ultraschall, um mögliche Veränderungen an der Gebärmutter erkennen zu können. Den Beweis liefert eine Bauchspiegelung – in der Regel mit einer Latenz von ca. zehn Jahren.
Endometriose ist eine hormonabhängige Erkrankung, die vor allem Regel-assoziierte Beschwerden verursacht. Daher steht grundsätzlich auch eine hormonelle Therapie zur Verfügung, die durch das Ausschalten des Zyklus wirkt. Damit sind viele Frauen komplett beschwerdefrei. Bei weiterbestehenden Schmerzen oder bei dem Befall von Organen kommt auch eine operative Entfernung der Herde in Betracht. Da leider jederzeit neue Herde entstehen können, vor allem Zysten und Bauchfellherde, macht eine weiterführende hormonelle Therapie Sinn. Weil die Symptome von Frau zu Frau höchst unterschiedlich sind, gibt es eben nicht die eine richtige Therapie. Meist macht eine Kombination aus gynäkologischer und psychologischer Behandlung sowie Physio- und Schmerztherapie Sinn. Heilbar ist die hormonabhängige Krankheit nicht, aber ab den Wechseljahren ist ein Großteil der Frauen davon befreit.
Was können Ursachen für Endometriose sein?
Die Ursachen scheinen komplex und sind noch lange nicht geklärt. Eine der gängigen, derzeit diskutierten Hypothesen nennt sich „Tissue Injury and Repair“. Hierbei wird die Gebärmutter als Ursprung der Erkrankung betrachtet. Es wird angenommen, dass infolge starker Gebärmutterbewegungen kleinste Risse (Microtraumen) zwischen den Zellen im Bereich der Übergangszone von Schleimhaut und Muskulatur entstehen können. Daraufhin fahren körpereigene, hormongetriebene Reparaturmechanismen hoch und die Gebärmuttermuskelwand verändert sich. Aktivierte Stammzellen können abwandern und z. B. über die Eileiter im Bauchraum zu Endometriose führen.
Neben diesen Faktoren spielen u. a. genetische und immunologische Faktoren eine große Rolle. Auch unsere heutige Lebensplanung könnte dabei eine wichtige Rolle einnehmen. Frauen bringen sehr viel später ihre Kinder zur Welt, als es früher der Fall war. Die Gebärmutter hat also – ab Beginn der ersten Periode – genügend Zeit, immer wieder den Zyklus mit den Bewegungsabläufen zu durchlaufen. Gerade Frauen, die bereits sehr früh sehr starke Regelschmerzen haben, haben somit ein höheres Risiko später auch Endometriose zu entwickeln.